Es gibt wohl keine besseren Fürsprecher für deinen Onlineshop als zufriedene Kunden. Die Chance, dass sie ihren Freunden und Bekannten von deinem Produkt erzählen, ist immens. Doch dieses gigantische Gewinnpotenzial und die Nachhaltigkeit von Empfehlungsmarketing nutzen die wenigsten Onlineshops als Instrument für mehr Umsatz.
Dabei könnte es so einfach sein. Denn jeder Mensch teilt von Kindesbeinen an anderen Leuten seine Erfahrungen mit. Die klassische Weiterempfehlung oder Mundpropaganda gab es zu allen Zeiten. Wir empfehlen immer. Deshalb sollte diese einfache und wirksame Technik nicht in die Vergessenheit geraten und stattdessen zum Standard-Marketinginstrument eines Onlineshops gehören.
In diesem Artikel erklären ich dir die Wichtigkeit, Hintergründe, psychologische Techniken und vier einfache Schritte, um ein Empfehlungsprogramm aufzusetzen.
Empfehlungsmarketing schlägt klassisches Marketing
Die klassischen vier P des Marketings (Product, Price, Promotion, Place) gelten im Zeitalter des Internets als längst überholt. Marketing ist durch die Vielzahl der digitalen Kanäle bereits heute ein komplexes Thema. Und in Zukunft wird die Komplexität noch weiter zunehmen.
Gerade in einer solchen Situation ist ein robustes Marketing-Instrument, das in quasi jeder Situation funktioniert, äußerst hilfreich. Empfehlungsmarketing ist ein solches Instrument, wie Studien von Annexcloud, Wharton School of Business, Boston Consulting Group oder Ogilvy/Google/TNS zeigen. Kurz zusammengefasst:
- Kunden, die über eine Empfehlung in den Onlineshop gelangen, konvertieren zu 7-fach höhere Raten als traditionell akquirierte Kunden über das Online Marketing.
- Sie empfehlen bis zu 4-Mal mehr weitere Kunden.
- Sie generieren 3- bis 5-fach höhere Conversions als über andere Marketingkanäle.
- Sie geben bis zu 200 Prozent mehr aus als der durchschnittliche Kunde.
- Sie bringen einen bis zu 25 Prozent höheren Profit und sind bis zu 18 Prozent loyaler als Kunden, die über andere Kanäle kommen.
- Der Life Time Value (siehe iBusiness:Kundenbindung: Neun KPIs, die Sie kennen müssen ) eines Neukunden, der über Empfehlungsmarketing generiert wird, ist bis zu 16 Prozent höher als der von durchschnittlichen Kunden.
- Zudem sagen 74 Prozent der Kunden, dass sie WOM (Word Of Mouth) beim Kauf berücksichtigen.
Drei psychologische Modelle und deren Einfluss auf Empfehlungen
Es gibt also genug Gründe, die für ein eigenes Empfehlungsprogramm sprechen. Richtig konzipiert, wird es sich schnell zu einem Booster für mehr Umsatz entwickeln.
Mit Reziprozität die Loyalität begünstigen
Reziprozität ist das Prinzip der Gegenseitigkeit und es stellt ein Grundprinzip menschlichen Handelns dar. Wer etwas geschenkt bekommt, ist bemüht, eine Gegenleistung zu erbringen. Auch dies haben wir von Kindheit an gelernt. Wir geben gerne etwas zurück, wenn wir (gefühlt) etwas geschenkt bekommen oder uns über eine gute Leistung, einen guten Service oder ein besonderes Erlebnis freuen. Wir fühlen uns dann verpflichtet, uns zu revanchieren.
Natürlich hat jeder Kunde das Potenzial, eine Empfehlung auszusprechen. Starten Sie Ihr Empfehlungsmarketing jedoch mit den VIP-Kunden, den Superstars. Es sind die Kunden, die immer und immer wieder in Ihrem Onlineshop einkaufen. Sie sind die besten Markenfürsprecher und Botschafter und eignen sich als Ambassadore, weil sie bereits exzellente Erlebnisse erhalten haben und die emotionale Loyalität bereits mehr gefestigt ist als bei Neukunden.
Social Proof als Rückgrat für Empfehlungsprogramme
Wenn Menschen unsicher sind, beobachten sie andere Menschen, um mehr Sicherheit für die Entscheidungsfindung zu bekommen. Unser Gehirn überprüft das nicht, sondern vertraut blindlings auf die Masse. Sie können diesen Effekt für Ihr Marketing nutzen, indem Sie Testimonials prominent innerhalb verschiedener Social Media Posts integrieren, innerhalb des Email-Marketings oder auch als Produktstörer innerhalb der Kategorie-Seite.
Je mehr und je öfter potenzielle Kunden bereits zufriedene Kunden sehen, die Ihren Onlineshop empfehlen, desto höher ist die Chance, dass sie kaufen werden.
Instant Gratification (= sofortige Belohnung) motiviert Kunden, schneller zu handeln
Sehnsucht und die Aussicht auf eine Belohnung motivieren uns zum Handeln. Unser Gehirn lässt uns immer nach sofortigen Belohnungen streben. Verantwortlich hierfür ist das neuronale Belohnungssystem, welches die Entscheidungen, die wir tagtäglich treffen, beeinflusst.
Die sofortige Belohnung ist in der heutigen Zeit mehr und mehr zur Erwartungshaltung, zur Norm geworden. In unserer modernen und Technologie-getriebenen Smartphone- und Social-Media-Ära ist alles sofort verfügbar und es lässt uns immer ungeduldiger werden. Kunden erwarten innerhalb weniger Minuten eine Antwort auf ihre Fragen, und wenn bestimmte Erwartungshaltungen nicht schnell genug erfüllt werden, dann kaufen sie mit wenigen Klicks in einem anderen Onlineshop ein.
Die Psychologie zeigt uns, dass wir unmittelbare Belohnung gegenüber einer später ausgezahlten bevorzugen – selbst wenn die unmittelbare Belohnung kleiner ist. Unser Belohnungssystem funktioniert wie ein simpler Schaltkreis. Ein Auslöser lässt das limbische System reagieren. Es generiert einen Drang, den die Großhirnrinde als bewusstes Verlangen erfasst, und gibt unserem Körper daraufhin die Anweisung, dieses Verlangen sofort zu stillen. Die Begierde wird zum Motivator.
Um Instant Gratification für das Empfehlungsmarketing zu nutzen, ist die sofortige Verfügbarkeit einer Belohnung entscheidend. Sonst funktioniert das Prinzip nicht. Vermeiden Sie daher komplizierte Belohnungssysteme, die die Kunden zu Zwischenschritten nötigen, damit die Belohnung aktiviert wird. Auch Belohnungen, die an weitere Bedingungen geknüpft sind (etwa an eine Neukundengewinnung oder an weitere Bestellungen), bremsen das System. Entscheidend ist vielmehr das “Jetzt”, der sofortige Anreiz.
In vier Schritten zum Empfehlungsprogramm
Reaktionäre Maßnahmen sind das Salz in der Suppe für jede Marketingstrategie, denn es gibt Kunden sofort ein Gefühl von Bedürftigkeit. Kopieren Sie auch nicht 1:1 die Empfehlungsprogramme anderer Onlineshops. Jedes Geschäft funktioniert anders, jeder Shop hat seine Besonderheiten und die Motivation der Kunden ist jeweils eine andere.
Schritt 1 – Das Ziel definieren
Erfolgreiche Strategien werden mithilfe des Reverse Engineering Prinzips aufgesetzt. Es ist ein systematischer Prozess, wobei jeder einzelne Schritt, ausgehend vom strategischen Ziel, rückwärts definiert wird. Das strategische Ziel wird mithilfe der KPQ (Key Performance Question) festgelegt (siehe iBusiness:Kundenbindung: Neun KPIs, die Sie kennen müssen ). Hinzu kommt das Festlegen der Meilensteine sowie die Reflexion in vorher definierten Zeitintervallen. So können einzelne Schritte überprüft und gegebenenfalls justiert werden. Das Ziel an sich wird aber nicht mehr verändert!
Schritt 2 – Das Kundensegment clustern
Ihr Empfehlungsprogramm fällt wahrscheinlich in eine dieser drei Kategorien:
- nicht vorhanden
- vorhanden, aber schwache Performance (zu wenige Empfehlungen)
- vorhanden, aber keine Empfehlungen
Bevor das Empfehlungsprogramm aufgesetzt wird oder das bestehende verbessert werden kann, benötigen Sie Insights aus den bestehenden Daten. Beantworten Sie die folgenden drei W-Fragen, um das entsprechende Kundensegment zu clustern:
- Wer hat Sie bereits empfohlen und sind diese Kunden gekennzeichnet? (welches Kundensegment)
- Wie viele Kunden sind aufgrund einer Empfehlung zu Ihnen gekommen?
- Wann genau empfehlen diese Kunden Sie? (in welchem Zeitraum)
Schritt 3 – Die Motivation und den richtigen Trigger wählen
Innerhalb des zuvor definierten Kundensegments werden nun die Kundenerlebnisse, die Motivation und der Trigger abgeleitet beziehungsweise identifiziert, sodass diese bei anderen, künftigen Kunden repliziert werden können.
Nur durch Umfragen und Interviews können diese Erfolgsparameter definiert werden. Dabei sind folgende Fragen von entscheidender Bedeutung:
- Welche Werte und welches Engagement schätzen Ihre Kunden besonders?
- Weshalb werden Sie weiterempfohlen?
- Was brauchen Kunden, damit sie empfehlen? Welcher Trigger lässt sie handeln?
Jeder Onlineshop hat spezielle Kunden und sowohl deren Motivation als auch der Trigger sind entscheidend, um eine Empfehlung auszusprechen. Finden Sie heraus, warum Kunden bei Ihnen einkaufen. Welche Wow-Erlebnisse sind besonders herausragend? Was schätzen sie ganz besonders? Welcher echte Wert (funktional, emotional, lebensverändernd, sozial) veranlasst sie dazu, immer wiederzukommen?
Als Trigger können sowohl monetäre Anreize in Form von prozentualen oder festen Rabatten verwendet werden. Aber auch nicht-monetäre Anreize eignen sich: Zum Beispiel Geschenke, besondere Services, Zugang zu exklusiven Angeboten, Upgrades oder kostenlose Mitgliedschaften. Am besten ist es, einen Trigger zu wählen, der Sie vollständig vom Wettbewerb differenziert. Der Anreiz muss aber auch für bestehende Kunden und für Neukunden gleichermaßen interessant sein. Wenn Kunden den Wert der Belohnung nicht auf Anhieb erkennen, werden sie kaum eine Weiterempfehlung aussprechen.
Schritt 4 – Umsetzung
Starten Sie immer mit einem MVP (Minimum Viable Product) – mit einem Produkt, das gerade die Kernanforderung gut erfüllt. Tüfteln Sie keinesfalls herum, bis das Empfehlungsprogramm auch noch bis ins letzte Detail perfekt ist. Das wird es ohnehin nie sein. Legen Sie aber von Anfang an großen Wert darauf, dass alle Prozesse automatisiert ablaufen. Und achten Sie darauf, dass Sie die Inhalte und Incentives leicht austauschen können, ohne die Prozesse selbst anzufassen. So können Sie schnell und flexibel auf neue Erkenntnisse reagieren.
- Laden Sie Kunden ein, bei einem Empfehlungsprogramm mitzumachen und setzen Sie eine Serie von passenden EMail-Erinnerungen auf.
- Erklären Sie den Kunden, wie das Empfehlungsprogramm funktioniert und wie sie es nutzen können. Gehen Sie nicht davon aus, dass jeder weiß, wie es funktioniert.
- Promoten Sie Ihr Empfehlungsprogramm mit entsprechenden Beiträgen in Ihren Social-Media-Kanälen.
- Verstecken Sie das Empfehlungsprogramm nicht irgendwo im Onlineshop, sondern platzieren Sie dies prominent inklusive einer Call-To-Action und einiger Social Proof Elemente.
- Nutzen Sie PopUps, um das Empfehlungsprogramm bekannt zu machen.
- Bedanken Sie sich bei Kunden, die andere Kunden empfohlen haben, auf eine besondere Art und Weise. Nutzen Sie keinesfalls 08/15-Standard-Mails.
Kunden, die Ihren Onlineshop empfehlen, möchten sympathisch erscheinen und das Produkt ins beste Licht rücken. Vergessen Sie dabei nicht: Es ist nicht wirklich sexy, unter Freunden einen 10 Prozent Gutschein weiterzugeben. Etwas mehr Kreativität ist heute schon gefragt.
Affiliates und Referrals, der kleine aber feine Unterschied
Verwechseln Sie schon beim Aufsetzen Ihres Empfehlungsprogramms Affiliates nicht mit Referrals. Beide generieren zwar Neukunden und Wachstum für den Onlineshop, aber es gibt einen entscheidenden Unterschied in der Arbeitsweise: Affiliates kennen ihre Kunden nicht persönlich. Sie wollen auch nicht eine gute Empfehlung abgeben, sondern lediglich einen monetären Wert abgreifen. Ein Affiliate empfiehlt Ihr Produkt daher wahrscheinlich an jeden, der ihm über den Weg läuft, solange das Geschäft für ihn rentabel ist.
Ein Referral hat hingegen auch altruistische Motive. Er hat eine Beziehung zum Neukunden und zum Shop und will, dass beide sich wohlfühlen. Er will auch sein eigenes Gesicht nicht verlieren. Deswegen sind Referrals unterm Strich meist mehr wert. Um sie zu triggern, sollte Ihre Prämie – neben einer geldwerten Belohnung – auch den alturistischen Part ansprechen. Erklären Sie ihn zum Teil einer Community und geben Sie ihm das Gefühl, dass sein Handeln auch jenseits der Prämie sinnvoll ist.
Zugleich ist Ihre Verantwortung gegenüber einem Referral aber auch größer, als gegenüber einem Affiliate. Wenn der Referral den Eindruck bekommt, bei seinen Freunden auf Ablehnung zu stoßen, wird er sich zurückziehen. Deswegen: Geben Sie dem Referral starke Argumente an die Hand, weshalb er Sie empfehlen sollte. Sorgen Sie dann aber vor allem auch dafür, dass Sie gegenüber dem Neukunden dieses Versprechen auch deutlich, nachdrücklich und unübersehbar erfüllen.